«Warum sind so viele Intellektuelle des 20. Jahrhunderts Faschismus und Kommunismus in die Arme gelaufen? Das Spektrum der Antworten auf diese oft gestellte Frage reicht von Opportunismus und Karrierestreben bis zum Idealismus der Überzeugungstäter. Doch läßt sich die Frage auch umkehren: Warum haben manche allen Versuchungen der Unfreiheit widerstanden? Was war ihnen eigen, das den Idealisten und Opportunisten abging?»
Den wenigsten ist es gegeben, ein Karl Popper, eine Hannah Arendt, ein Arthur Koestler oder ein Manès Sperber oder ein Marko Martin zu sein.
In der Überzahl waren und sind dann doch die Jean Paul Sartres dieser Welt. Dieser kehrte 1954 von einer Reise in die Sowjetunion zurück und stellte fest: „Die Freiheit der Kritik ist in der UdSSR total.“ Und: „Wenn jemand mir noch einmal zu sagen versucht, dass in der Sowjetunion die Religion verfolgt oder verboten wird, schlage ich ihm die Fresse ein.“ Weiterhin prophezeite er, „dass die Sowjetunion spätestens 1966 einen 30 bis 40 Prozent höheren Lebensstandard erreichen würde als Frankreich.“ Kann man spektakulärer irren?
Auf der anderen Seite hatten wir etwa den Literaturnobelpreisträger Gerhardt Hauptmann: „Ich sage Ja!“, so sein bekanntes Zitat zum Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund 1933. Gottfried Benn fragt den Exilanten Klaus Mann im Mai 1934 besonders tückisch: „Wie stellen Sie sich denn nun eigentlich vor, dass die Geschichte sich bewegt? Meinen Sie, sie sei in französischen Badeorten besonders tätig?“ Und nach dem sogenannten Röhm-Putsch (eigentlich eine Säuberungsaktion des Regimes) erklärt der furchtbare Jurist Carl Schmitt im August 1934 unumwunden: „Der Führer schützt das Recht.“ Bis heute prägt sein böser Geist das deutsche Staatsrecht.
Den Solschenizyn-Schock über die Grauen des GULAG hat die politische Linke mittlerweile halbwegs überwunden – zumindest in großen Teilen. Den Emil Nolde hat man im Kanzleramt längst abgenommen.
Da folgen bereits neue «Zeiten der Prüfung» für unsere Intellektuellen. Bereits in der Corona-Krise kam dabei jedoch leider nichts Gutes heraus. Auf der Seite des Lebens zu stehen, fiel erneut den meisten Offene-Briefe-Schreibern schwer. Lieber andere dem Tod aussetzen, als sich das Tragen einer Maske vorschreiben lassen …
Es sind teils dieselben Personen, die nun offene Briefe in Richtung Ukraine schreiben. Dabei steht Deutschland, in den Worten des Historikers Timothy Snyder, an der „Schwelle eines weiteren moralischen Zusammenbruchs.“
Die Quislingerei der Heutigen kommt dabei humanistisch daher, steht jedoch erkennbar in obiger Tradition und ist im Grunde nichts anderes als schandhafte Faschismus-Kollaboration.
«Die internationale Gemeinschaft muss (…) alles dafür tun, Bedingungen zu schaffen, unter denen Verhandlungen überhaupt möglich sind. Dazu gehört die Bekundung, dass die westlichen Akteure kein Interesse an einer Fortführung des Krieges haben und ihre Strategien entsprechend anpassen werden.»
Das heißt ins Reine gesprochen: Keine Waffenlieferungen mehr an die Ukraine. Mord, Vergewaltigung, Verstümmelung, Willkürherrschaft, Grausamkeit, Unfreiheit für Millionen von Menschen …
Prüfungen kann man entweder bestehen oder man kann durchfallen. Da wir das alles nicht zum ersten Mal erleben, sondern es dieses Mal mit Ansage passiert, ist das Scheitern besonders spektakulär.