Immer wieder werde ich als Sozialdemokrat auf Gerhard Schröder angesprochen. Gerade im Geschäftsleben, gerade von Leuten, die dem Politik- und Medienbetreib eher fernstehen. Das interessiert die Leute. 

Persönlich finde ich das Thema ziemlich langweilig: Ich habe seit Jahren jede Achtung, jeden Rest-Respekt, den ich gegenüber dem Ex-Kanzler einmal gehabt habe, verloren. Seine eindeutige Parteinahme für einen brutalen Diktator ist eine Schande für die SPD und für Deutschland insgesamt. Der Schaden, den sein Engagement insbesondere in Osteuropa für das Image Deutschlands bewirkt hat, ist kaum zu ermessen.

Gleichzeitig kenne ich das Parteienrecht gut genug, um zu wissen, dass bei einem Parteiausschlussverfahren wahrscheinlich nichts herauskommen wird. Einen Versuch ist es zwar wert, und der läuft ja auch schon. Aber mir graut vor einem jahrelangen Verfahren, in dem dann immer wieder Schlagzeilen und Aufmerksamkeit produziert werden, für jemanden, der das alles längst nicht mehr verdient. 

Oder mache ich es mir mit dieser wohlfeilen Pauschaldistanzierung zu leicht?

Immerhin bin ich einst WEGEN Schröders Politik in die SPD eingetreten. Der Mann spielt also eine Rolle. Für sehr viele Menschen meiner Generation. Auch für eine ganze Kohorte von Bundestagsabgeordneten, die jetzt in Amt und Würden sind. 

Nun kann man sagen, er spricht schon lange nicht mehr für die Partei, spielt keine aktive Rolle mehr. Nicht einmal als Elder Statesman. Er ist ein Gas-Lobbyist in russischen Diensten, der immer noch dem verqueren Glauben anhängt, sein Wirken läge im Interesse Deutschlands. 

Aber dann sieht man, wie Sigmar Gabriel ihn letzte Woche öffentlichkeitswirksam besucht hat.

Gut, auch ein Ehemaliger mit keiner aktiven Rolle in der Partei. Aber auch er war immerhin acht Jahre ihr Vorsitzender! Und er hat seine Netzwerke …

Schröder und Gabriel wegcanceln – da cancelt man gut 20 Jahre SPD-Geschichte mit weg! Und was bleibt dann? Viel, aber genug? 

Es ist eine merkwürdige Situation, einer Partei anzugehören, von ihren Idealen nach wie vor vollkommen überzeugt zu sein, wenn große Teile ihrer außenpolitischen Programmatik und ihres Führungspersonals bis in die jüngste Vergangenheit spätestens jetzt in Bausch und Bogen verdammt werden müssen.

Natürlich – es war nicht alles schlecht. Wie man so sagt. Sowohl Schröder als auch Gabriel haben ihre Verdienste. Und vielleicht ist das alles auch gar nicht so ungewöhnlich. Die Sozialdemokrat:innen der 1980er sind ja auch oftmals in Opposition zu „ihrem“ Ex-Kanzler, zu Helmut Schmidt, an die Schalthebel der Macht gelangt. Unter anderem ein gewisser Gerhard Schröder.

Mit dem werden wir uns also wohl noch länger beschäftigen müssen. Ahnengalerien werde ich jedoch nie ohne Vorbehalte abschreiten können.

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