Geschichte ist immer auch Gegenwartskommentar. Dominik Mascheks „Die römischen Bürgerkriege“ steht erkennbar in der Nachfolge von Ronald Symes bahnbrechendem Werk „Die römische Revolution“ von 1939. Syme hatte damals den Aufstieg des Augustus nachgezeichnet. Als kühl kalkulierender Machtmensch schaffte der spätere Monarch die Republik de facto ab, und stellte den Senat vor der Alternative zwischen Stabilität und Freiheit. Parallelen zum Aufstieg des Nationalsozialismus und des Kommunismus waren gewollt.
Maschek legt jetzt eine Archäologie und Geschichte der römischen Bürgerkriege vor, die ebenfalls zahlreiche Parallelen zur Gegenwart aufweist: Massenmigration, Konflikte um Bürgerrecht und Status, wachsendes Wohlstandsgefälle, religiöse Furcht und das Versagen der politischen Eliten im Angesicht der Krisensituationen, verbunden mit dem Wunsch nach charismatischen Führerfiguren. Neu ist das alles nicht. Eher schon sehr alt.
Und es ist faszinierend, wie viel Maschek dem eigentlich wohlbekannten Stoff noch abgewinnen kann. Der Schwerpunkt lag ja bislang hauptsächlich auf den Protagonisten: Sulla, Marius, die Gracchen, Julius Cäsar, Pompeius der Große, Marcus Antonius und der junge Octavian – sie alle waren faszinierende Charaktere in einem shakespeareschen Machtringen gigantischen Ausmaßes.
Doch welchen Niederschlag fand das Jahrhundert der Bürgerkriege in Kunst, Architektur und Alltagskultur? „Wer waren die Sieger, die Geschichte machten? Und wie sah die Geschichte der Verlierer aus?“ Mit diesen Fragen und einigen sozialwissenschaftlichen Instrumenten auf dem neusten Stand der Forschung macht sich Maschek auf den Weg. Der Endpunkt ist ziemlich klar: Mit der Seeschlacht von Actium 31 v. u. Z., und dem Sieg Octavians gegen Marcus Antonius und Kleopatra, fanden die Bürgerkriege ihr Ende.
Als Beginn wählt er hingegen nicht wie in der klassischen Forschung die Reformversuche der Gracchen ab 133 v. u. Z. Vielmehr gilt es, so Maschek, die stadtrömische und Senatsperspektive zu überwinden, und die Krisenzeit des 2. und 1. Jahrhunderts als ein auf ganz Italien bezogenes, wenn nicht sogar mediterranes Ereignis zu begreifen. Entsprechend setzt er bereits bei den Punischen Kriegen ein und wählt frühe Konflikt- und Vernichtungserfahrungen, die viel mehr als bisher als Voraussetzungen der dann eskalierenden inneren Gewalt erkannt werden müssen. Ein bislang vernachlässigtes Ereignis wie die vollständige Zerstörung der Stadt Fregellae im Jahre 125 v. u. Z., die sich im Aufstand gegen Rom befunden hatte, erfährt als „Symptom einer neuen Zeit“ eine deutliche Aufwertung.
Die Bürgerkriegszeit erscheint hier nicht als eine Epoche punktueller Gewaltausbrüche, sondern eine nahezu durchgehende, generationenübergreifende Grunderfahrung der handelnden Personen, ein „mehrere Generationen überspannendes Epochen- und Mentalitätsphänomen“. Die Verbindung von Archäologie und sozialwissenschaftlich angereicherter Altertumsgeschichte erweist sich als äußerst fruchtbar, um ein neues, weitaus differenzierteres Bild der späten Republik zu zeichnen, als das bislang der Fall war. Ein Gewinn für Wissenschaft und Leser.